Mein Leidensweg begann im Spätsommer des Jahres 2008 mit einer fulminanten Herzattacke beim Teetrinken. Sie kam aus dem Nichts und fühlte sich an wie ein Krampf bzw. so, als drückte mir jemand einen Elektroschocker ans Herz. Ich sprang auf, hatte das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können. Es blieb aber nicht bei einem Krampf, das Phänomen wiederholte sich über eine halbe Stunde lang, ich tigerte durch die Wohnung, riß immer wieder die Arme instinktiv hoch, dachte, daß kann man nicht aushalten, ich muß aus dem Fenster springen. Meine Frau rief den Notarzt. Der kam, ich erhielt Nitro unter die Zunge, mußte Fragen beantworten, die man jemandem stellt, der einen Herzinfarkt hatte. Doch es waren nicht die klassischen Herzinfarktsymptome. Der Hausarzt schickte mich dann mit dem Verdacht auf Prinz-Metal-Angina zum Kardiologen. Der machte die notwendigen Untersuchungen, fand aber nichts, das EKG war einwandfrei. Ich erhielt Nitrospray. Zur Sicherheit. Die Devise lautete: Beobachten, im Notfall den Notarzt alarmieren. Als das Symptom immer wieder auftauchte, konsultierte ich einen weiteren Kardiologen. Auch hier kein Befund. Erst der dritte Kardiologe schickte mich zu einem Gastroenterologen, weil er vermutete, daß meine Beschwerden vom Magen kommen könnten.
So kam ich zu meiner ersten Magenspiegelung. Befund: Reizmagen, Roemheldsches Syndrom, die Magenschleimhaut deutete auf eine abgeheilte Gastritis. Die Therapie lautete: Omeprazol. Des weiteren erhielt ich den Ratschlag, keine Schokolade zu essen, generell nicht zu sauer, möglichst keinen Weißwein und nicht zu viel Kaffee zu trinken, keine kohlensäurehaltigen Getränke. Ein weiteres Symptom, das ich bisher nicht richtig wahrgenommen hatte, tauchte auf: Übermäßiges Aufstoßen. Den Zusammenhang zwischen Herzanfällen und Luft im Magen bzw. Aufstoßen begriff ich erst später. Ich aß immer weniger, ließ dies und das weg, probierte dann die ganze Bandbreite von Entschäumern durch, experimentierte mit Tee aus Herzgespannkraut, ging auf Ratschlag des Hausarztes zu einem Osteopathen, begriff, daß sie mir alle nicht helfen konnten, insbesondere nicht die Gastroenterologie. Niemand fühlt sich für das Zwerchfell zuständig, schlimmer, niemand scheint dieses zentrale Organ zu kennen, kein Arzt hat je einen Tastbefund erhoben, sich die Region mal angeschaut. Nun weiß ich, was 5-Minutenmedizin ist, was Apparatemedizin bedeutet.
Schließlich begann ich auf Anraten des Hausarztes eine Psychotherapie. Das Symptom blieb. Ich magerte immer mehr ab, von ehemals 75 Kilo auf 64.
Nach einem Jahr Psychotherapie stellte mir der Therapeut anheim, ob ich die Therapie weitermachen oder abbrechen wollte. Mein Gefühl sagte mir, das Symptom kann nicht seelischen Ursprungs sein, ich brach ab, fuhr in Urlaub, hatte wieder einen starken Herzanfall. Dann riet mir ein befreundeter Internist zu einer Breischluckuntersuchung. Diese ergab: Kleine axiale Gleithernie. Der Hausarzt: Das haben sehr viele Menschen über 50, das kann nicht die Ursache Ihres Problems sein. Inzwischen hatte ich im Internet herausgefunden, daß es in Berlin einen Dr. Löhde gab. Mir war klar, daß, wenn es überhaupt eine Lösung meines Problems gab, sie nur dort liegen konnte. Nach 9 Monaten Wartezeit bekam ich einen OP-Termin. Vorher ließ ich bei einem zweiten Gastroenterologen noch eine Magenspiegelung machen. Das Resultat einer Gleithernie bestätigte sich, auch, daß die Gefahr einer sich entzündenden Speiseröhre bestand. Der Gastroenterologe riet mir dringend von einer OP ab. Ich ließ mich jedoch nicht von meinem Vorhaben abbringen. So vergingen 6 Jahre, in denen ein normales Leben nicht mehr möglich war. Ich wog noch 62 Kilo fühlte mich wie ein Pawlowscher Hund: Essen war mit Herzattacken unauflösbar assoziiert. Ich war depressiv und hatte Selbstmordgedanken, fühlte mich vom Leben ausgeschlossen. Das Interesse an Gesellschaften, bei denen getrunken und gegessen wurde, sank gegen Null. Was sollte ich in einem Restaurant, einer Bar? Kein Wein, keine kohlensäurehaltigen Getränke, nicht dies essen, nicht das. Nichts zu essen, wäre mir am liebsten gewesen. Der 12. Februar 2015 kam, ich ging ins DRK-Westend in Berlin zur OP von Dr. Löhde.
Check in, Zuweisung eines, wie vereinbart, Einzelzimmers auf Station 23.
Das geplante Gespräch bei Dr. Löhde verwandelt sich zu meiner Überraschung in ein Aufklärungsgespräch mit einem Dr. Thomas, von dessen Existenz ich bis dahin nichts wußte. Dr. Thomas stellt sich mir selber vor als ehemaliger Oberarzt mit langjähriger chirurgischer Erfahrung, der seit Anfang 2015 Mitarbeiter und Assistent von Dr. Löhde sei. Er mache den darstellenden Teil der OP (ca. 45 Min.), Dr. Löhde führe dann – vertragsgemäß – den zweiten Teil der OP nach seiner l.oe.d.e. Methode (45 Min.) durch. Ich unterschreibe den Aufklärungsbogen, die aufgezählten Risiken nehme ich blind in Kauf. Später detailliertes Aufklärungsgespräch im Zimmer mit dem Narkosearzt Dr. Morciniec. Die Risiken und Nebenwirkungen der Narkose scheinen mir bei weitem größer und zahlreicher als beim eigentlichen Eingriff. Laut Dr. Morciniec bin ich trotz meines Rentenalters kein Risikopatient, er nimmt mir komplett meine Bedenken und Ängste.
Nachts kann ich nicht einschlafen. Ich lasse mir gegen 2 Uhr eine Schlaftablette geben.
Gegen vier Uhr werde ich trotz Schlaftablette wach. Vor dem Fenster ist der Andienungsplatz für die Versorgung des Krankenhauses. Große Laster rollen an und laden aus und ein, Container werden hin –und hergeschoben. Höllischer Lärm.
Am Morgen frage ich nach einem anderen Zimmer. Man bietet mir an, für das Einzelzimmer nichts zu zahlen. Doch ich habe mehr Interesse an Schlaf als an Geld. Im Sekretariat von Dr. Löhde setzt man sich dafür ein, daß ich in ein Zweibettzimmer umziehen kann. Mein Versuch, in ein Zweibettzimmer mit einem weiteren Loehde-Patienten gelegt zu werden, der kurz vor mir operiert werden soll, bleibt erfolglos. Mein Bettnachbar wird ein HNO-Patient. Ich bin nun vom Regen in die Traufe gekommen. Der HNO-Patient wird in den drei verbleibenden Nächten operationsbedingt so laute Geräusche emittieren, daß ich bei der Entlassung weniger durch die OP als durch Schlaflosigkeit total erschöpft bin.
Im OP-Saal gab es eine Komplikation. So verschiebt sich die für 12 Uhr vorgesehene OP auf unbestimmte Zeit. Dr. Löhde erscheint im Zimmer und entschuldigt sich, ist selber sichtlich nervös wegen der Warterei. Gegen 14 Uhr weiß ich immer noch nicht, ob es etwas wird an diesem Tag. Gegen halb drei dann plötzlich: Fertig machen zur OP.
Ich bekomme Medikamente, das OP-Hemd, die Kopfbedeckung und werde auf einer Bahre in den Gang zum OP-Saal geschoben. Ich verliere den Zeitüberblick. Irgendwann geht es vorwärts, ich lande im OP. Ich hatte einen großen Raum erwartet, es ist aber nur ein schon beinahe erschreckend kleiner, weiß gekachelter Raum. Ich lande auch nicht auf einem OP-Tisch, sondern werde auf eine Art gynäkologischen Behandlungsstuhl geschoben, die Beine werden hoch in Schienen gelegt, die Arme ebenfalls. Doktor Morcieniec tritt von hinten zu mir. Gleich geht es los. Ich bekomme eine Spritze - und komme abends im Zimmer wieder zu mir.
Ich spüre nicht viel, ich stehe unter Medikamenten und bekomme in den folgenden Tagen regelmäßig Schmerz- und Thrombosespritzen. Der Bauch fühlt sich aufgebläht an, der Rücken schmerzt, aber das ist alles sehr gut aushaltbar. Erstaunlich, daß man schon bald nach der OP wieder trinken kann, auch essen.
Das Essen, -ich habe erfahren, der Caterer sei gewechselt worden in Richtung noch billiger als vorher-, ist nicht der Rede wert. Ich habe kaum Hunger. Tatsächlich läßt sich Knäckebrot sehr gut essen, aber alles natürlich nur langsam. Ein winziger Schluckauf hingegen ist äußerst unangenehm. Auch Niesreiz muß ich unterdrücken. Husten sollte man gar nicht. Da spürt man sofort die Tiefe des Eingriffs.
Später zu Hause läßt sich ein Hustenreiz am besten überstehen, wenn ich eine Wärmflasche gegen die Brust drücke und gegen dieses Gewicht leicht anhuste. Da eine schwere Grippewelle in Berlin herrscht, gehe ich die ersten 14 Tage gar nicht unter Menschen, vermeide auch jeden Arztbesuch wegen der Ansteckungsgefahr im Wartezimmer. Beim Schlucken entstehen manchmal leicht schmerzhafte Symptome, die an der Wirbelsäule herablaufen. Auch nachts wache ich bisweilen auf mit einem Gefühl, als hätte mich jemand von hinten harpuniert, etwa in der Höhe des Herzens. Der Schmerz geht von hinten nach vorne in die Brust. Stehe ich auf, gehe etwas herum und trinke Wasser, verschwindet er bald.
Die ersten beiden Wochen nach der OP fröstele ich oft und habe das Bedürfnis, mich unter eine warme Decke zu legen. An Arbeit ist nicht zu denken. Nach zwölf Tagen gibt es eine deutliche Gesamtverbesserung. Ich habe noch keinen einzigen Speiseröhrenkrampf gehabt.
Es bildet sich aber relativ viel Luft beim Essen, die zum Glück dann nach und nach entweicht. Das Aufstoßen geht mit der Zeit besser. Auch die Essensmengen kann ich vergrößern. Nach vier Wochen bin ich von 58,7 Kilo auf 62,5 Kilo bei 1.75 cm. Ich nehme keine Magenmedikamente mehr und esse, was mir Spaß macht. Auf fette Speisen habe ich allerdings keinen Appetit, Fleisch geht kaum.
Von den acht Operationen, die ich insgesamt hinter mich gebracht habe, liegt diese im mittleren bis unteren Leidens-Bereich, sie ist relativ gut wegzustecken, allerdings sollte man keinen Husten oder Schnupfen während der Rekonvaleszenz bekommen, darauf verwiesen die wenigen Hustenreize und die paar Niesanfälle, die sich während der ersten Wochen ereigneten. Von der ärztlichen Betreuung her war sie exzellent. Der „doppelte Rittberger“ in Weiß von Dr. Löhde und Dr. Thomas bei der Visite ist eine Augenweide. Dieses Weiß, hier hat es seine Funktion: Es leuchtet gleichsam das schwarze Loch aus, das das Zwerchfell gewöhnlich in der Schulmedizin darstellt.
Inzwischen sind drei Monate vergangen. Nach drei Monaten relativer Beschwerdefreiheit kam dann aus heiterem Himmel ein Rückfall. Das Hauptsymptom, ein plötzlich einsetzender Herzschmerz, der sich anfühlt wie ein Elektroschocker am Herzen, trat bei einer banalen Abendmahlzeit auf. Ich hatte gegessen wie immer: Langsam, nicht zuviel und etwas dazu getrunken.
Ich erhielt alsbald einen Termin bei Dr. Löhde, er ließ sich denVorgang schildern und kam, nach langem Überlegen, in das auch Dr. Thomas einbezogen wurde, zum Schluß, eine Breischluckuntersuchung zu machen. Das Resultat dieser Untersuchung war bestens, es gab keinen Hinweis auf die Ursache.
Dr. Löhde gab zu, ratlos zu sein. Er sagte, es handele sich um eine Senke, das beste sei, abzuwarten. Allerdings gab er mir einen Ratschlag: „Versuchen Sie es mal mit kohlensäurehaltigen Getränken!“
Das hatte ich auf Anraten meines Gastroenterologen jahrelang vermieden, also auch kein Bier getrunken. Dieses Gespräch fand im Juni statt. Ich habe seitdem nur einmal eine Herzattacke im Ansatz gehabt und sie durch Hinabstürzen von Sprudelwasser in Schach halten können. Noch besser wirkt Bier, der Schaum hat es in sich. So habe ich endlich einen modus vivendi durch Kohlensäure gefunden. Defintiv gebessert haben sich auch die Hustenanfälle und die Heiserkeit, unter der ich jahrelang gelitten habe. Auch das Gefühl nach dem Essen einen Block in der Brust zu haben, nicht richtig durchatmen zu können, ist verschwunden, und das wäre ohne OP sicher nicht der Fall.
Von meinen ursprünglich 75 Kilo bin ich wieder bei ca. 67. Daß ich nur noch kleine Portionen mag, hängt vielleicht auch mit dem Alter zusammen. Das Bedürfnis Fleisch zu essen, tendiert gegen Null, ohne daß ich mich als Vegetarier, gar als Veganer bezeichnen möchte.
Vielleicht ist es ja so, daß der Magen durch das jahrelange In-den-Brustraum-Verschobensein und die Sanduhrform irgendwo eine kleine Deformation, eine Falte erhalten hat, so daß es zu diesen Herzattacken überhaupt kommen konnte. Wenn man sieht, wie lange es dauert, bis sich bestimmte Symptome zurückbilden (die Hustenanfälle haben 8 Monate gebraucht), könnte ich hoffen, daß auch das Hauptsymtpom, die Herzattacken, mit der Zeit noch verschwindet.
Jedenfalls kommt es einer Erlösung gleich, wenn man nach gut sieben Jahren überhaupt zu einer Diagnose kommt und dann auch noch zu einer Operation, die, in Anbetracht der Alternativen, genial zu sein scheint. Das Wichtigste: Das Gefühl der Unerklärlichkeit, der Unheimlichkeit der Attacken ist verschwunden, ich habe eine gewisse Kontrolle über das Phämomen, und ich muß nicht mehr ständig Nein sagen, wenn ich ein Glas Sekt, Wein, Bier oder sonst etwas angeboten bekomme und habe auch wieder Lust auszugehen.
Wenn man sieht, wofür heutzutage Preise verliehen werden, ist es höchste Zeit, diese OP-Methode von Dr. Löhde mit einem medizinischen Nobelpreis, mindestens aber mit der Paracelsus-Medaille zu prämieren. In jedem Falle ist das ganze Team, angefangen mit den drei Damen vom Empfang bis zu den OP-Helfern-/innen und dem Narkosearzt, Dr. Morciniec, als in der Berliner Krankenhauslandschaft als absolut herausragend zu bezeichnen.